Hinter den Kulissen im Till Eulenspiegel-Museum in Schöppenstedt
Wer kennt ihn nicht, den Schalksnarren Till Eulenspiegel? Viele Geschichten und Legenden ranken sich um ihn... Doch was ist wahr, was darf man glauben? Stimmt das Bild, das wir von der literarischen Figur Till Eulenspiegel im Kopf haben? In der Ausstellung Überraschen! Irritieren! Widersprechen! im Till Eulenspiegel-Museum in Schöppenstedt kannst du diesen Fragen auf die Spur gehen und vielleicht ganz neue Erkenntnisse gewinnen...
Nach der alljährlichen Winterpause öffnet das Museum wieder die Türen für Besucher:innen. Wir durften im Vorfeld aber schon einen Blick hinter die Kulissen werfen und Museumsleiter Benedikt Einert mit Fragen löchern.
Herr Einert, können Sie uns kurz berichten, was die Besucher:innen in der Ausstellung Überraschen! Irritieren! Widersprechen! erwartet?
Das Till Eulenspiegel-Museum zeigt die Geschichte der Figur Till Eulenspiegel, die wir seit über 500 Jahren kennen. Bis heute fragen sich viele, ob es Till wirklich gegeben hat – und einen echten Beweis müssen wir im Museum schuldig bleiben. Also zeigen wir, was sich die Menschen aus ihm machen – seitdem er im Volksbuch von 1510/11 bekannt geworden ist.
Die Figur hat immer schon eine Faszination auf Leser:innen ausgeübt und Menschen inspiriert: Künstler:innen, Literat:innen, aber auch Politiker:innen, die seine Geschichten immer wieder neu verarbeitet haben. Viele Besucher:innen sind überrascht davon, wie einflussreich diese Figur war – und angeregt irritiert von ihrem Facettenreichtum.
Welches ist Ihre Lieblings-Historie, wenn Sie an Till Eulenspiegel denken?
Am liebsten mag ich, dass es für jedes Lebensgefühl eine passende Historie gibt – und häufig die Unbekannteren durch eine faszinierende Abgründigkeit auffallen, die Leser:innen und auch unsere Besucher:innen nicht erwarten. Till war zum Teil einfach ein fieser, auch anarchischer Typ. Das kommt zum Beispiel in Historien zum Ausdruck, in denen er als Tierquäler auftritt, und die auch heute noch schaudern lassen. Aber auch schon in der zweiten Historie, in der als Kind hinter seinem Vater auf dem Pferd sitzend durch Kneitlingen reitet und den Dorfbewohnern seinen nackten Hintern präsentiert. Da ist den Leser:innen schon am Anfang des Buches ganz klar, in welche Richtung das mit Till wohl gehen wird, obwohl es ganz harmlos und lustig wirkt.
Was ist für Sie besonders faszinierend an der Figur des mittelalterlichen Schalksnarren?
Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie politisch man diese Figur gelesen hat und bis heute lesen lann. Tills radikale Eigensinnigkeit und Unabhängigkeit hat ihn in den Augen von Autoritäten zu fast jeder Zeit gefährlich wirken lassen. Entsprechend ist das Volksbuch auch nicht selten verrissen, zensiert, verboten worden. Und das wiederum wird sicher ein wichtiger Faktor für seinen Erfolg gewesen sein.
Heute wirkt dieser Kerl in seinem bunten Narrenkostüm (das ihm ja erst sehr viel später angedichtet wurde) ganz harmlos und lustig. Aber ein Spaßmacher, der übers Land zieht und allen Menschen radikal den Spiegel vorhält, egal ob arm oder reich, mächtig oder nicht, würde auch heute eine Wirkung haben. Das macht diese Figur zeitlos – und das wollen wir im Museum auch zeigen.
Was hat Sie bewogen, nach Schöppenstedt in das Till Eulenspiegel-Museum zu gehen?
Es war offen gestanden mehr Zufall als Vorsatz, dass ich in Schöppenstedt gelandet bin. Ich war im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Braunschweig an einem Kooperationsprojekt von Museum und dem Institut für Geschichtswissenschaft beteiligt. Als ich zum ersten Mal dort war, war ich überrascht über das hohe Niveau der Ausstellung, die Größe des Hauses und auch die lebendige Atmosphäre, die dort herrschte, obwohl wir uns gerade mitten in der Corona-Pandemie befanden. Mir war deshalb auch nicht bange, unter diesen schwierigen Bedingungen dort diese neue Aufgabe zu übernehmen, weil man immer das Potential dieses tollen Ortes erkennen konnte.
Die Samtgemeinde Elm-Asse, die das Museum mit großem Einsatz trägt, viele Kooperationspartner:innen und auch viele Menschen in Schöppenstedt und der ganzen Region haben mich darin bestärkt, das Museum auch als eine kreative Spielwiese zu verstehen und weiter zu entwickeln – und das ist eine unglaublich reizvolle Aufgabe.
Haben Sie ein Lieblingsexponat in der Ausstellung? Warum genau dieses Ausstellungsstück?
In unserem Skulpturenraum hängt ein Model einer großen Plastik von Karl-Henning Seemann. Es zeigt Till als Seiltänzer mit den Schuhen in der Hand – kurz bevor er sie in die Menge fallen lässt, die sich unter ihm versammelt hat und gespannt auf den großen Trick wartet, den er angekündigt hatte. Die Historie ist ja sehr bekannt und lustig, aber hat natürlich auch wieder einen doppelten Boden: Denn Till ist hier derjenige, der es mit einem ganz einfachen Kunststückchen schafft, eine ganze Stadtgesellschaft kurzzeitig ins Chaos zu stürzen. Alle wollen nur schnell an ihren Schuh gelangen und vergessen dabei ihre gute Kinderstube. Der Bürgermeister rangelt mit der Witwe, der Priester mit dem Handwerker, Kinder und Erwachsene, Arme und Reiche prügeln aufeinander ein – und Till tanzt über den Dingen und lacht sich ins Fäustchen.
Diese Plastik hängt in Schöppenstedt am Rathaus, Till tanzt über den Marktplatz – ich finde das hat eine sehr schöne Ironie, die den Schöppenstedtern und den Menschen in der Region gut zu Gesicht steht – das mag ich sehr.
Wie bringen Sie Kindern die Figur des Till Eulenspiegels näher?
Till Eulenspiegel ist, entgegen der Erwartungshaltung vieler Menschen, kein eigentliches Kinderthema, was sich auch in der Dauerausstellung widerspiegelt. Wir sehen aber ein großes Potential darin, das Museum durch neue und zusätzliche Angebote für Familien, Kinder und Schulklassen attraktiver zu machen. Im neuen Museumsjahr werden junge Besucher:innen einen Multimediaguide mit spielerischen und kreativen Elementen nutzen können, um sich durch die Ausstellung führen zu lassen. Schon jetzt gibt es Bastel- und Kreativstationen im Museum, außerdem eine Museumsrallye. Natürlich bieten wir auch Führungen speziell für Kinder(-gruppen) und Schulklassen an – ebenso Workshops für Schulklassen verschiedener Altersgruppen. Und auch Kindergeburtstage können bei uns gefeiert werden.
Seit letztem Jahr bieten wir auch ein Jahresprogramm mit Kinderaktionen an – etwa einmal im Monat bietet das ganz überwiegend ehrenamtliche Museumsteam eine Kreativaktion an: In diesem Jahr wird beispielsweise mit verschiedenen Materialien gedruckt und natürlich werden wir auch in diesem Jahr wieder die düsteren Seiten Till Eulenspiegels an Halloween präsentieren.
Die Ausstellung wird als „Erlebnis für alle“ bezeichnet, insbesondere für Menschen mit Einschränkung. Welche musealen Angebote sind besonders auf die Bedürfnisse dieser Besucher:innen zugeschnitten?
Beim Umbau des Museums und der Einrichtung der neuen Dauerausstellung 2016/2017 wurde großen Wert auf Barrierefreiheit gelegt. So ist jeder Bereich des Museums auch für Menschen mit Bewegungseinschränkungen zugänglich. Zentrale Texte der Ausstellung sind auch in einfacher Sprache oder Brailleschrift zu lesen, für Menschen mit Seheinschränkungen sind einige bildliche Darstellungen der Ausstellung auch als Relief zum Tasten verfügbar. Außerdem bieten wir spezielle Führungen für Menschen mit verschiedenen Einschränkungen an. In diesem Jahr wollen wir unser Angebot mit Netzwerkpartnern auch noch erweitern – wir planen etwa inklusive Kulturangebote oder einen neuen barrierearmen Multimediaguide für alle Besucher:innen, auch in verschiedenen Sprachen.
Die Samtgemeinde Elm-Asse gilt als die „Eulenspiegel-Region“: Haben Sie einen Tipp, was die Besucher:innen des Museums unbedingt noch im Umkreis erleben sollten?
In unserer Region erinnert vieles an Till Eulenspiegel, nicht weil es echte Lebensstationen zu sehen gäbe, sondern weil die Menschen zwischen Elm und Asse seit Jahren an vielen Orten an Till erinnern. In Schöppenstedt finden sich an so vielen Stellen Kunstwerke und Hinweise, die an Till erinnern, dass es sich unbedingt lohnt, danach zu suchen oder mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen, beispielsweise auf den Spuren der Installation „Schöppenstedt als Buch“, die auch viele Geschichten im Stadtbild erzählt. Aber natürlich wäre auch der angebliche Geburtsort Kneitlingen zu nennen, der auch ohne Elternhaus sehr schön ist. Das Denkmal von Theo Schmidt-Reindahl vor der Kirche ist faszinierend, weist aber auf ein dunkles Kapitel der Eulenspiegel-Geschichte hin – nämlich seine Instrumentalisierung durch die Nationalsozialisten.
Und am besten lernt man die Orte von Tills Kindheit kennen, indem man den Eulenspiegel-Rundweg mit dem Rad fährt oder erwandert. Das lässt sich ebenso wie „Tills Tauftour“ zwischen Schöppenstedt, Kneitlingen und Ampleben auch immer gut mit einem Museumsbesuch verbinden.
Ende 2024 kooperierte das Till Eulenspiegel-Museum im Rahmen der Ausstellung „Aus dem Off“ mit dem Kunstverein Wolfenbüttel. Gibt es Ideen und konkrete Vorhaben für weitere Zusammenarbeit, über die Sie berichten können?
Ich bin sehr dankbar für unsere tollen Netzwerkpartner hier in der Region. In der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren aus dem Kulturbereich entstehen regelmäßig neue Ideen – und so wird es auch in diesem Jahr sein. Beispielsweise werden wir gemeinsam mit der Galerie Kulturhaus Dettum im Sommer eine Comicausstellung zeigen – und auch bei Kulturveranstaltungen werden wir immer wieder mit anderen Institutionen zusammenarbeiten, z.B. mit dem Naturpark Elm-Lappwald oder dem Rittergut Lucklum. Und ganz allgemein ist die Figur Till Eulenspiegel natürlich nicht nur ein Markenzeichen unseres Museums, sondern eines für die ganze Region – daraus soll noch viel mehr entstehen, als das ohnehin schon der Fall ist.
Ausblick: Wie sehen Ihre Pläne für 2025 aus? Worauf können sich Besucher:innen des Museums freuen? Welche Aktionen sind geplant?
In diesem Jahr wird es nicht nur ein umfangreiches Programm für unsere jüngsten Besucher:innen geben, sondern auch mehrere Sonderausstellungen, Lesungen und Konzerte – über die ich aber noch nicht zu viel verraten kann. Am besten behalten Sie unser Museum im Auge – über unsere Website, den Instagram-Kanal oder den Newsletter, den man auf www.eulenspiegel-museum.de abonnieren kann. Wir freuen uns auf ganz viele Besucher in 2025!
Kontakt und weitere Infos
Till Eulenspiegel-Museum
Nordstraße 4a
38170 Schöppenstedt
www.eulenspiegel-museum.de
Mail: info@eulenspiegel-museum.de
Tel.: 05 33 2 / 61 58
Öffnungszeiten (ab 28.01.2025)
Dienstag bis Freitag: 14 Uhr bis 17 Uhr
Samstag und Sonntag: 11 Uhr bis 17 Uhr
Montags ist das Museum geschlossen
Eignet sich perfekt für einen Sonntagsausflug mit der Familie: Erst das Museum entdecken und im Anschluss "Schöppenstedt als Buch" erkunden. Das gibt es nur in Schöppenstedt und den Dörfern rund herum, wo mehr als 50 Kapitel des 500-jährigen Eulenspiegel-Buches in einer Freilichtausstellung nachgebaut worden sind. Auf Info-Tafeln werden die Geschichten in Kurzform nacherzählt. Zu den kulturtouristischen Angeboten.
Das Team der zeitORTE wünscht dir viel Spaß beim Erkunden des Till Eulenspiegel-Museums. Die Fotos in der Galerie oben zeigen einen Blick in die verschiedenen Räume der Dauerausstellung und sollen dir Lust auf einen Besuch machen. Und wenn du Fotos von den Outdoor-Installationen machst und bei Instagram postest, markiere gern die @zeitORTE und @tilleulenspiegelmusem
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